Bewertung von Quellwässern hinsichtlich der Erfordernis von Aufbereitungsmaßnahmen zur Entfernung von Mikroorganismen 1)

Dr.-Ing. Günther Baldauf, Dr.-Ing. Uwe Müller


1.1 Einführung

 

Mit Inkrafttreten der novellierten TrinkwV am 01.01.2003 wird bei Vorliegen mikrobiell belasteter Rohwässer unter anderem gefordert, dass bei Feststellung von Tatsachen, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können oder bei der Annahme, dass solche Tatsachen vorliegen, eine Aufbereitung erforderlichenfalls unter Einschluss einer Desinfektion nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfolgen muss [1].

 

Diese Forderung ist dadurch begründet, dass insbesondere in Oberflächengewässern und möglicherweise in oberflächenwasserbeeinflussten Wässern vorkommende parasitäre Mikroorganismen durch die bei der Trinkwasseraufbereitung üblichen Desinfektionsverfahren nicht abgetötet bzw. nicht ausreichend inaktiviert werden. In solchen Fällen sind Mikroorganismen im Aufbereitungsprozess weitestgehend mechanisch zurückzuhalten.

 

Nach dem auch eine Reihe von Quellwasservorkommen mikrobiell belastet sind, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien über die Erfordernis von aufbereitungstechnischen Maßnahmen im Einzelfall zu entscheiden ist.

 

Circa 8 % des gesamten Trinkwasserbedarfs wird aus Quellwasservorkommen gedeckt. Allein in Baden-Württemberg werden ca. 1.400 Quellwasserversorgungsanlagen betrieben, die zum Teil aus mehreren Quellwasservorkommen gespeist werden. Bei Vorliegen einer mikrobiellen Belastung im Quellwasser ohne signifikante Trübungserhöhung erfolgt bislang in der Regel eine Desinfektion durch Zugabe von Mitteln auf Chlorbasis bzw. UV-Bestrahlung. Bei kurzfristigem Auftreten erhöhter Trübungswerte, z. B. aufgrund von Niederschlagsereignissen bzw. Schneeschmelze, erfolgt darüber hinaus häufig eine temporäre Ausleitung der Wässer. Lediglich stärker bzw. häufiger eintrübende Wässer, beispielsweise aus Karstwasservorkommen, wurden bereits in der Vergangenheit einer Filtration zur Partikelelimination unterzogen, um damit Trübstoffe sowie eventuell vorkommende Mikroorganismen aus dem Trinkwasser fernzuhalten.

 

Bei der Mehrzahl der Quellwasserversorgungsanlagen wurde in der Vergangenheit nur sporadisch rohwasserseitig auf mikrobiologische Parameter untersucht. Üblicherweise erfolgte in der Praxis die Untersuchung des Wassers nach der Desinfektion, so dass Erkenntnisse über die mikrobiologische Beschaffenheit des Quellrohwassers in vielen Fällen nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße bestehen. Darüber hinaus wurde nur in Einzelfällen eine quantitative Ermittlung der Mikroorganismen in Quellwässern durchgeführt, so dass eine Quantifizierung der bakteriologischen Belastung aufgrund der vorliegenden Daten häufig nicht möglich ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Hierzu sind eine geeignete Vorgehensweisen festzulegen und ein entsprechendes Messprogramm durchzuführen, wobei aussagefähige, relativ einfach zu bestimmende und kostengünstige Parameter heranzuziehen sind.

 

Bei der Beurteilung hinsichtlich der Erfordernis von Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit kommt dem Multibarrierenprinzip eine wesentliche Bedeutung zu. Durch Ausweisung von Schutzgebieten mit entsprechender Kontrolle und Überwachung sowie durch sachgerechten Bau und Betrieb von Quellwasserfassungsanlagen sollten Verunreinigungen weitestgehend ausgeschlossen werden. Sofern dennoch mikrobielle Belastungen im Rohwasser auftreten, muss gegebenenfalls eine Aufbereitung erfolgen, sofern eine Desinfektion allein nicht als ausreichend erachtet wird.

 

Im nachfolgenden Beitrag wird auf die mikrobiologische Bewertung von Quellwässern eingegangen, wobei die vom TZW bei einer Vielzahl von Wasserversorgungsunternehmen ermittelten Daten über die mikrobiologische Beschaffenheit von Quellwässern mit eingeflossen sind. Daraus lassen sich Kriterien ableiten, auf deren Grundlage über die Erfordernis weitergehender Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit entschieden werden kann.

 

 

1.2 Anforderungen an Wässer vor der Desinfektion

 

Das UBA hat 1997 in einer Mitteilung Anforderungen an die Aufbereitung von Oberflächenwässern zu Trinkwasser im Hinblick auf die Eliminierung von Parasiten festgelegt [2]. Danach ist im Ablauf einer Filteranlage zum Partikelrückhalt unter anderem die Einhaltung der technischen Richtzahl von 0,2 FNU und der Koloniezahlen nach § 1 TrinkwV notwendig und zu dokumentieren. Dies lässt sich technisch durch ordnungsgemäßen Betrieb einer Filteranlage erreichen. Für Trinkwasser aus geschützten Grundwasserleitern ist dagegen der Grenzwert der TrinkwV für den Parameter Trübung (1,0 FNU ab 2003) maßgeblich.

 

Eine sorgfältige Aufbereitung von Oberflächenwasser mit einer weitestgehenden Eliminierung von Partikeln wird als unerlässliche Voraussetzung für die Minimierung eines Infektionsrisikos und eine wirkungsvolle Desinfektion angesehen. Eine potenzielle Gefährdung aufgrund einer fäkalen Belastung kann durch Untersuchungen gemäß TrinkwV § 1, Absatz 1 und 2 nur dann erkannt werden, sofern das Wasser vor der Desinfektion untersucht wird [2].

 

Nach der DVGW-Wasser Information Nr. 53 soll bei der Aufbereitung von Fluss-, See-, Talsperren-, Karst- und Kluftwässern die Trübung im Gesamtfiltrat (nach der Aufbereitungsstufe zur Partikelabtrennung) < 0,1 FNU nicht überschreiten und möglichst geringe Schwankungen aufweisen [3]. Zur Absicherung und zur Optimierung von Aufbereitungsschritten kann es sinnvoll sein, zusätzlich die Partikelzahl und –größenverteilung zu bestimmen. Solche Messungen können jedoch mikrobiologische Untersuchungen nicht ersetzen.

 

In einer im April 2001 herausgegebenen Empfehlung des Umweltbundesamtes (UBA) zur Vermeidung von Kontaminationen des Trinkwassers mit Parasiten sind bei positiven Befunden (Nachweis von Clostridium perfringens im Trinkwasser oder E. coli und coliforme Bakterien im Wasser vor der Desinfektion) mindestens 20 Nachproben des Wassers vor der Desinfektion in einem zeitlich relativ engen Raster auf die Indikatorparameter E. coli und coliforme Bakterien zu untersuchen, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen inwieweit Maßnahmen, gegebenenfalls auch aufbereitungstechnischer Art zu treffen sind [4]. Dies gilt für alle aufbereiteten und nicht aufbereiteten Wässer, die aus Oberflächenwässern oder aus oberflächenwasserbeeinflusstem Grundwasser gewonnen werden. Routinemäßige Untersuchungen des Trinkwassers auf Parasiten erscheinen aus derzeitiger Sicht nicht hilfreich, weil die statistische Sicherung der Befunde zum Teil methodenbedingt noch nicht möglich ist.

 

Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit im Ablauf einer Filteranlage zur Partikelelimination bei der Aufbereitung von Oberflächenwässern bzw. oberflächenwasserbeeinflussten Wässern werden nach der Empfehlung des UBA dann als erforderlich angesehen, sofern die in Bild 1 dargestellten Kriterien im Wasser vor der Desinfektion überschritten werden.

 

Bild 1: UBA-Kriterien zur Ermittlung des Handlungsbedarfs in Abhängigkeit von der Wasserbeschaffenheit

 

Nach den in Bild 1 genannten Kriterien wird eine Desinfektion mit Mitteln auf Chlorbasis bzw. eine UV-Bestrahlung für die genannten Rohwässer dann als ausreichend erachtet, sofern die dort genannten Werte für die mikrobielle Belastung im Wasser vor der Desinfektion nicht überschritten werden und es sich außerdem um ein weitestgehend partikelarmes Wasser handelt.

 

In der DVGW-Wasser Information Nr. 48 sollte bei der Nutzung von Oberflächenwässer aber auch für bakteriologisch nicht einwandfreie Grund- und Quellwässer insbesondere nach Starkniederschlägen und bei Hochwasserereignissen die Trübung im abgegebenen Trinkwasser unter 0,3 FNU möglichst sogar unter 0,1 FNU liegen [5].

 

Der DVGW erstellt derzeit ein Arbeitsblatt zu Einsatz- und Anforderungskriterien bei der Trinkwasserdesinfektion (DVGW-Arbeitsblatt W 290) [6]. Danach ist die Notwendigkeit einer Aufbereitung von Quell- und Grundwässern vor der Desinfektion umso höher, je höher die Kontamination des Rohwassers ist und je öfter Belastungssituationen auftreten. Nachweise von mehr als 10 E. coli bzw. 100 coliformen Bakterien pro 100 mL weisen auf eine hohe Belastung hin.

 

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass bei trübstoffarmen und nicht zu stark bakteriell belasteten Wässern eine Desinfektion zur Sicherung der hygienisch-mikro­biologischen Trinkwasserbeschaffenheit als ausreichend anzusehen ist.

 

 

1.3 Situationsanalyse

 

Zur Beurteilung der mikrobiellen Beschaffenheit von Quellwässern wurden die mikrobiologischen Daten, die an 75 Quellwasservorkommen erhoben wurden, einer Auswertung unterzogen. Eine Beprobung umfasse in der Regel die Parameter:

 

-   E.coli / 100 mL (qualitativ und quantitativ)

-   Coliforme Bakterien / 100 mL (qualitativ und quantitativ)

-   Koloniezahlen bei 20 und 36 °C nach 2 Tagen / mL

-   Koloniezahlen bei 20 °C nach 7 Tagen / mL

-   Enterokokken / 100 mL

-   Sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier (Clostridien) / 100 mL

 

Die sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobier stellen eine physiologische Gruppe innerhalb der Gattung Clostridium dar. Sie werden daher im Folgenden als Clostridien bezeichnet. Das Bakterium Clostridium perfringens ist ebenfalls in dieser physiologischen Gruppe enthalten und wird bei der Bestimmung der sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobier miterfasst.

 

Die aufgeführten Parameter unterscheiden sich bei den einzelnen Quellen hinsichtlich ihrer Probenahmehäufigkeit. Daher ist im Folgenden angegeben, wie viele Messwerte für ein gegebenes Kriterium in die Auswertung eingeflossen sind. Die Proben wurden im Gegensatz zur UBA-Empfehlung unregelmäßig über unterschiedlich lange Zeiträume entnommen, um somit auch jahreszeitlich und meteorologisch bedingte Einflüsse mit zu erfassen.

 

Die Quellen befinden sich mehrheitlich in Baden-Württemberg. Darüber hinaus zählen drei Quellen aus Bayern sowie weitere Quellen zu der verwendeten Datenbasis. Die Auswahl der Quellen erfolgte zufällig, so dass die gewonnenen Aussagen nicht repräsentativ für alle Quellwasservorkommen sein können. Dennoch gibt es bisher in Deutschland keine in ihrem Umfang vergleichbare Datenerhebung.

 

 


1.4 Resultate der Datenerhebung

 

Um einen Überblick über die mikrobielle Belastung von Quellen zu gewinnen, wurden zunächst für die an den einzelnen Quellen erhobenen Daten die 90 Perzentile berechnet. Die Anwendung des 90 Perzentils wurde aus der EU-Richtlinie 75/440/EWG über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwässer abgeleitet, die für die Leitwerte für Oberflächengewässer den 90 Perzentil vorsieht. Damit soll aufgrund der begrenzten Anzahl an Messdaten pro Fassungsstelle eine Überbewertung durch einen Extremwert vermieden werden. Die 90 Perzentile für die Parameter E. coli, coliforme Bakterien und Enterokokken sind als Summenkurve in Bild 2 dargestellt. Angegeben ist die Anzahl der Quellen, die in diese Auswertung eingeflossen sind.

 

Beispielsweise standen bezüglich E. coli für 51 Quellen quantitative Messwerte zur Verfügung (n = 51). Circa 40 % waren frei von E. coli, der höchste 90 Perzentilwert lag bei 620 E. coli. Demgegenüber waren wesentlich höhere Gehalte an coliformen Bakterien in den Quellen nachweisbar. In 15 % der Quellen wurde der 90 Perzentil von 100 Coliforme/100 mL überschritten. Die 90 Perzentile für Enterokokken liegen gegenüber E. coli in der Regel etwas höher.

 

Bild 2: Summenkurven für das Auftreten von E.coli, coliformen Bakterien und Enterokokken in verschiedenen Quellen dargestellt als 90 Perzentile

 

 

1.5 Korrelationen zwischen den mikrobiologischen Parametern

 

Um zu prüfen, inwieweit gegebenenfalls eine Korrelation zwischen verschiedenen mikrobiologischen Parametern besteht, wurden in Bild 3 für jede Quelle korrespondierende Wertepaare für coliforme Bakterien und E.coli dargestellt. Bei den Werten für coliforme Bakterien und E.coli handelt es sich jeweils um 90 Perzentile. Insgesamt lagen für 50 Quellen Wertepaare vor. Jede Markierung repräsentiert eine Quelle. Aus der Darstellung geht hervor, dass prinzipiell mit zunehmendem Gehalt an coliformen Bakterien vermehrt E.coli nachgewiesen werden. Allerdings gibt es auch Quellen, die nicht unerhebliche Coliformgehalte und dennoch keine Positivbefunde an E.coli aufweisen. Dies kann u.a. auf das schnellere Absterben von E.coli zurückzuführen sein.

 

Die Quellen mit mehr als 100 coliformen Bakterien/100 mL (90 Perzentil) wiesen stets auch positive Befunde für E. coli auf.

Bild 3: Korrespondierende Wertepaare von coliformen Bakterien und E.coli

 

Bild 4 stellt in analoger Weise korrespondierende Wertepaare von coliformen Bakterien und sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern gegenüber. Es wurde für jede Quelle ein Wertepaar ermittelt. Dieses bestand bei den coliformen Bakterien aus dem 90 Perzentil und bei den sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern aus der Anzahl der Positivbefunde, da bei letzteren keine quantitativen Messungen zur Verfügung standen. Bei Abwesenheit von coliformen Bakterien (90 Perzentil) traten praktisch keine Positivbefunde an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern auf. Bei den Quellen mit mehr als 100 coliformen Bakterien/100 mL (90 Perzentil) waren stets auch sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier nachweisbar.

 

Eine analoge Gegenüberstellung zwischen dem Auftreten von E.coli, dargestellt als 90 Perzentil, und den Positivbefunden an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern zeigt Bild 5. Im Gegensatz zu der vorstehend beschriebenen Korrelation bezüglich coliformen Bakterien wurden trotz Abwesenheit von E.coli Positivbefunde an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern nachgewiesen. Die Quellen mit mehr als 10 E.coli /100 mL (90 Perzentil) wiesen stets Positivbefunde an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern auf.

 

Bild 4: Korrespondierende Wertepaare von coliformen Bakterien und sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier

 

Bild 5: Korrespondierende Wertepaare von E.coli und sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier

 

Während in den vorangegangenen Bildern für jede Quelle jeweils ein repräsentatives Wertepaar gebildet wurde, geben die nachfolgenden Tabellen eine gesamthafte Bewertung sämtlicher Messwerte wieder. Zur Berechnung der Werte in Tabelle 1 wurden zunächst alle Messwerte mit 0 coliformen Bakterien/100 mL herausgefiltert und die zugehörigen Positivbefunde an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern ermittelt.

 


Tab. 1: Vorkommen von coliformen Bakterien und sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier

Coliforme Bakterien / 100 mL

Sulfitreduzierende sporenbildende
Anaerobier, Positivbefunde in %

0

1

1 – 10

11

10 – 100

36

> 100

48

 

Von den Proben, die keine coliformen Bakterien enthielten, wiesen lediglich 1% Positivbefunde bezüglich sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier auf. Analog wurde innerhalb der anderen angegebenen Intervalle vorgegangen. Beispielsweise waren in Proben mit > 100 coliforme Bakterien/100 mL in 48 % der korrespondierenden Proben Positivbefunde bezüglich sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern zu verzeichnen.

 

Tabelle 2 enthält die Ergebnisse bei analogem Vorgehen für die Parameter E.coli und sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier.

 

Tab. 2: Vorkommen von E.coli und sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier

E.coli / 100 mL

sulfitreduzierende sporenbildende
Anaerobier, Positivbefunde in %

0

7

1 – 10

33

> 10

67

 

Zusammenfassend ergibt sich, dass in den untersuchten Quellrohwässern gewisse Abhängigkeiten zwischen der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von E.coli, coliforme Bakterien und sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier bestehen. Beispielsweise stellt der positive Nachweis von coliformen Bakterien kein hinreichendes Kriterium für das Vorkommen von E. coli dar. Erhöhte Gehalte an coliformen Bakterien gehen jedoch in der Regel mit erhöhten Gehalten an E. coli einher. In der Regel ist mit zunehmenden Gehalten an coliformen Bakterien oder E. coli mit einem verstärkten Auftreten an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern zu rechnen. Deshalb sind bevorzugt bei den stärker mikrobiell belasteten Wässern Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit vor der Desinfektion zu ergreifen.

 

 

1.6 Auswertung der Daten in Anlehnung an die UBA-Empfehlung

 

Um die an den Quellwässern erhobenen Messdaten bezüglich E. coli und coliforme Bakterien hinsichtlich der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit bewerten zu können, wurde eine Auswertung in Anlehnung an die Vorgaben des UBA vorgenommen [4]. In die Auswertung ging die Gesamtheit der Messdaten von bis zu 75 Quellen ein. Bild 6 zeigt eine Zusammenstellung der Ergebnisse.

 

Bild 6: Bewertung der untersuchten Quellen in Anlehnung an UBA-Kriterien

 

Dargestellt ist der prozentuale Anteil der in die Untersuchung einbezogenen Quellen, bei denen bei Anwendung der UBA-Empfehlung Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit erforderlich wären. Beispielsweise sieht das UBA für den Parameter E. coli drei Varianten einer Beurteilung vor. Die Anwendung des Kriteriums „Nachweis von E. coli vor der Desinfektion in 4 oder mehr unmittelbar aufeinanderfolgende Proben“ wurde im vorliegenden Falle nicht als zielführend für eine Beurteilung erachtet, da die Proben nicht in einem engen zeitlichen Rasten entnommen wurden. Bezüglich des Kriteriums „> 25 % Positivproben“ waren 36 % der untersuchten Quellen betroffen. Das Kriterium „> 10 E. coli/100 mL in mehr als 10 % der Proben“ würde bei 14 % der Quellen Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit erforderlich machen.

 

Eine demgegenüber deutlich höhere Anzahl an betroffenen Quellwasserversorgungsanlagen ergäbe sich bei Betrachtung der für coliforme Bakterien geltenden Regelung. Das Kriterium „Auftreten von Positivbefunden an coliformen Bakterien in > 50 % der untersuchten Proben“ weist mit 70 % den höchsten Prozentsatz der Quellen mit Handlungsbedarf aus, während beispielsweise bei einer Betrachtung der Proben mit „> 10 coliforme Bakterien/100 mL in > 25% der Proben“ nur in 14 % der untersuchten Quellen Handlungsbedarf resultieren würde. Somit führt die UBA-Empfehlung abhängig von dem zu betrachtenden Kriterium zu unterschiedlichen Aussagen in Hinblick auf die Erfordernis von Maßnahmen zur Verbesserung der Beschaffenheit des Wassers vor der Desinfektion.

 

Dies zeigt, dass die UBA-Empfehlung für eine Bewertung von Quellwässern in hygienisch-mikrobiologischer Sicht nur bedingt geeignet ist, da danach wie aus der Auswertung der Daten hervorgeht der Handlungsbedarf primär durch die Häufigkeit des Auftretens von coliformen Bakterien bestimmt wird. Wie aus den Ergebnissen der Tabellen 1 bzw. 2 jedoch hervorgeht, ist mit zunehmender Belastung eines Wassers an coliformen Bakterien bzw. E. coli eine Zunahme der Gehalte an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern zu erwarten. Somit besteht primär bei den mikrobiologisch stärker belasteten Wässern Handlungsbedarf.

 

Das Ergebnis der Auswertung der an den Quellwässern gewonnenen Daten hinsichtlich der Belastung mit sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern zeigt Bild 7.

 

Bild 7: Auswirkung der Befundhäufigkeit für sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier auf den Handlungsbedarf

 

Dabei wurde einerseits davon ausgegangen, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit vor der Desinfektion dann zu ergreifen sind, sofern bereits ein Positivbefund vorliegt bzw. mehr als 10 % der Proben Positivbefunde an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern aufweisen. Sofern bei Vorliegen eines Positivbefundes bezüglich sulfitreduzierender sporenbildender Anaerobier Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit ergriffen werden müssten, wären 47 % der untersuchten 51 Quellen davon betroffen. Werden dagegen bei 10 % der untersuchten Proben pro Quelle Positivbefunde an sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobiern zugelassen, bestünde bei 27 % der Quellen Handlungsbedarf. Hierbei ist allerdings einschränkend darauf hinzuweisen, dass bei den durchgeführten Untersuchungen der Parameter sulfitreduzierende sporenbildende Anaerobier, d. h. die Gesamtheit der sulfitreduzierenden sporenbildenden Anaerobier nicht jedoch Clostridium perfringens, ein einzelner Vertreter dieser Gruppe, wie in der ab 01.01.2003 geltenden TrinkwV aufgeführt, bestimmt wurde. Bezüglich der Erfordernis von Maßnahmen zur Verbesserung der mikrobiellen Beschaffenheit ist somit von einer geringeren Anzahl an betroffenen Quellen als in Bild 7 angegeben auszugehen. Zukünftig wird eine quantitative Bestimmung von Clostridium perfringens durchgeführt und zur Bewertung mit herangezogen.

 

 

 


1.7 Untersuchungsprogramm und Vorschlag zur Bewertung mikrobiell belasteter Quellwässer

 

Das Untersuchungsprogramm sollte in einem Zeitraum durchgeführt werden, der es erlaubt, auch höhere Belastungen zu erfassen. Dies kann nach langen Trockenperioden der Fall sein, die zur Bildung von Trockenrissen in den oberen Deckschichten führen. In der Mehrzahl der Fälle ist allerdings der Zeitraum September bis Mai als kritisch anzusehen, da hier die Grundwasserneubildung erfolgt. Insbesondere während der vegetationslosen Jahreszeit, wenn die Rückhaltung der Niederschläge in den oberen Bodenschichten gering ist, können oberflächliche Verschmutzungen leichter in tiefere Schichten eingetragen werden und zu einer Belastung der Rohwasservorkommen beitragen.

 

Das Gesamtprogramm ist entsprechend Tabelle 3 in drei Abschnitte unterteilt und erstreckt sich insgesamt über mehrere Monate. Es wird vorgeschlagen, das Quell- bzw. bei mehreren Quellen, die zusammengeführt werden, das Quellmischwasser auf die Parameter E.coli und coliforme Bakterien, entsprechend Messprogramm I, zu untersuchen.

 

Tab. 3: Messprogramme – Parameter und Häufigkeit der Probenahmen

Mess-programm

Parameter*

Häufigkeit

Probenanzahl gesamt

Ort der
Probenahme

I

-          E.coli

-          Coliforme Bakterien

1 x wöchentlich

20

Roh-(misch-)
wasser (vor Desinfektion)

I a

-          E.coli

-          Coliforme Bakterien

1 x wöchentlich

10

Einzelquellen

II

-          E.coli

-          Coliforme Bakterien

-          Enterokokken

-          Clostridium perfr.

-          Trübung

-          weitere Parameter#

1 x wöchentlich

10

Roh-(misch-)
wasser

* Mikrobiologische Parameter sind quantitativ zu bestimmen.

# Optional sind einzelfallabhängig zeitgleich weitere physikalisch-chemische Parameter zur Festlegung des Desinfektionsverfahrens zu ermitteln. Ergänzend können im Einzelfall die Koloniezahlen als Indikator für leicht abbaubare organische Verunreinigungen bestimmt werden.

 

Sofern > 10 coliforme Bakterien und/oder Positivbefunde von E. coli im Rohmischwasser auftreten, ist parallel zu Programm I das Messprogramm I a mit Untersuchungen der Einzelquellen bzw. der Quellgruppen durchzuführen. In den Messprogrammen I und I a sind lediglich die Parameter E. coli und coliforme Bakterien quantitativ zu bestimmen. Bei hochbelasteten Einzelquellen sollen soweit möglich bereits während des laufenden Messprogramms Maßnahmen zur Verbesserung der Roh-(misch-)wasserbeschaffenheit ergriffen werden.

 

Eine Einordnung der Quellen lässt sich entsprechend den Vorgaben in Tabelle 4 vornehmen. Dabei wird unterschieden in Quellen, die keinen Handlungsbedarf aufweisen bzw. eine niedrige Priorität besitzen und solche mit hoher Priorität für Maßnahmen.

 

Tab. 4: Mikrobiologische Kriterien zur Priorisierung entsprechend Messprogramm I und I a

Einstufung

kein Handlungsbedarf /
niedrige Priorität

hohe Priorität

E.coli

< 1

> 10

Coliforme Bakterien

< 1

> 100

 

Für alle Rohwässer, die aufgrund dieser Ergebnisse in die Prioritätsstufe niedrig bzw. hoch eingestuft werden, besteht hinsichtlich der Entscheidungsfindung, ob Handlungsbedarf besteht, kein weiterer Untersuchungsbedarf.

 

Die Rohwässer, welche signifikante Belastungen aufweisen, aber nicht in die Stufe mit hoher Priorität einzuordnen sind, müssen zur weiteren Beurteilung im Messprogramm II untersucht werden. Abhängig von den Ergebnissen der bakteriologischen Untersuchungen ist eine Unterteilung der Quellen nach der Priorität der Erfordernis von Maßnahmen entsprechend Tabelle 5 vorzunehmen.

 

Tab. 5: Mikrobiologische Kriterien zur Priorisierung entsprechend Messprogramm II

Priorität

niedrig

mittel

hoch

E. coli

< 1

1 – 10

> 10

Coliforme Bakterien

< 10

10 - 100

> 100

Enterokokken

< 1

1 – 10

> 10

Clostridium perfr.

< 1

1 – ?

>  ?

 

Bei Vorliegen von bakteriologischen Belastungen, deren Ursache kurzfristig und mit vertretbarem Aufwand beseitigt bzw. verringert werden kann, besteht selbstverständlich unverzüglicher Handlungsbedarf.

 

Zeitgleich zur Entnahme der bakteriologischen Proben ist auch die Trübung entweder kontinuierlich, sofern möglich, bzw. diskontinuierlich mit einem transportablen Gerät vor Ort zu bestimmen. Danach kann beurteilt werden, inwieweit aufgrund erhöhter Trübungswerte Maßnahmen zu treffen sind. Gegebenenfalls sind zeitgleich weitere chemisch-physikalische Parameter mit zu erfassen.

 

Bei dem vorgeschlagenen Untersuchungsprogramm handelt es sich um den erforderlichen Mindestumfang.

 

Die in den Tabellen 4 und 5 aufgeführten Bereiche müssen für ein Quell(-misch) wasser von 90 % der Messwerte eingehalten werden. Ausgenommen hiervon ist bei den Messprogrammen I und I a die Einstufung „Kein Handlungsbedarf“, bei dem der Maximalwert zugrunde zu legen ist.

 

Für die Einstufung ist derjenige Parameter maßgebend, bei dem die vorgegebene Anforderung nicht eingehalten wird.

 

Messwerte zum Vorkommen von Clostridium perfringens in Quellrohwässern liegen bislang noch nicht in ausreichender Anzahl vor, so dass noch keine verbindlichen Werte festgelegt werden können.

 

 

1.8 Vergleich von UBA-Empfehlungen und TZW-Kriterien

 

Die im vorangegangenen Kapitel genannten Kriterien zur Priorisierung von Quellen hinsichtlich der Erfordernis von Maßnahmen auf der Grundlage der bakteriologischen Parameter wurden mit den Kriterien des Umweltbundesamts an Praxisbeispielen verglichen. Dazu wurden aus der Datenbasis diejenigen Quellen ausgewählt, für die zeitgleich Daten für E. coli, coliforme Bakterien und Enterokokken vorlagen. Insgesamt erfüllten 48 Quellen diese Bedingung. Damit unterscheidet sich die Datenbasis von den Auswertungen der vorangegangenen Kapitel. Clostridium perfringens wurden nicht mit in die Bewertung einbezogen, da wie bereits zuvor erwähnt bislang noch keine Messwerte vorliegen.

 

Wie aus Bild 8 hervorgeht, bestünde nach der Empfehlung des Umweltbundesamtes bei 85 % der in die Untersuchung eingezogenen Quellen Handlungsbedarf, auf Grund der Überschreitung des Kriteriums „> 50 % Positivbefunde an Coliformen“. Nach den im vorangegangenen Kapitel vorgeschlagenen Kriterien wären von den 48 betrachteten Quellen 25 % einer hohen, 33 % einer mittleren und 42 % einer niedrigen Priorität für Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit vor der Desinfektion zuzuordnen.

 

Bild 8: Erfordernis von Maßnahmen nach TZW- bzw. UBA-Kriterien

 

Wird somit primär die Höhe der mikrobiellen Belastung eines Quellwassers einer Beurteilung zugrunde gelegt, lassen sich Quellen nach ihrer Dringlichkeit für Maßnahmen besser beurteilen als dies allein über die Häufigkeit des Auftretens einer Belastung möglich ist.

 

Unabhängig von einer solchen Bewertung bakteriologisch belasteter Rohwässer muss jederzeit sichergestellt sein, dass das Trinkwasser stets den Anforderungen der TrinkwV genügt.

 

 

1.9 Folgerungen

 

Bei der Nutzung bakteriologisch belasteter Rohwässer zur Trinkwassergewinnung sind nach der ab 01.01.2003 geltenden TrinkwV verschärfte Anforderungen einzuhalten. Betroffen hiervon sind auch eine Reihe von Quellwasservorkommen.

 

Um beurteilen zu können, in welchem Umfang über die Desinfektion hinaus Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit aus hygienisch-mikrobiologischer Sicht erforderlich sind, wurden 75 Quellwasservorkommen auf ausgewählte bakteriologische Parameter untersucht. Damit konnte ein erster Überblick über die mikrobielle Belastung von Quellwässern gewonnen werden.

 

In Anlehnung an die UBA-Empfehlung (2001) wurde eine Einstufung der Quellen entsprechend der Erfordernis von Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserbeschaffenheit vorgenommen. Danach wäre schätzungsweise bei 70 bis 80 % der Quellen Handlungsbedarf.

 

Von Seiten des TZW wurde ein Vorschlag ausgearbeitet, wonach abhängig von der mikrobiellen Belastung einer Quelle Handlungsbedarf abgeleitet werden kann. Dazu wurde ein entsprechendes Messprogramm ausgearbeitet. Besondere Bedeutung kommt hierbei der quantitativen Bestimmung von Mikroorganismen zu. Neben der Durchführung eines Messprogramms sind auch die Erstellung einer Situationsanalyse und die Kenntnis der hydrogeologischen Verhältnisse vor Ort erforderlich, um beurteilen zu können, ob gegebenenfalls durch Maßnahmen im Vorfeld bzw. an den Fassungsanlagen selbst die erforderliche Verbesserung der Wasserbeschaffenheit mit erreicht werden kann, so dass aufbereitungstechnische Maßnahmen gegebenenfalls entbehrlich sind.

 

Nach dem erstellten Bewertungsschema weisen entsprechend dem vorliegenden Datenmaterial 25 % der untersuchten Quellen eine relativ hohe bakteriologische Belastung auf, die Maßnahmen zur Verbesserung der mikrobiellen Wasserbeschaffenheit erforderlich erscheinen lassen. Da die untersuchten Quellen nicht repräsentativ für die Gesamtheit aller Quellen stehen, erlauben die Ergebnisse lediglich eine erste grobe Abschätzung einer Größenordnung hinsichtlich der von der angesprochenen Problematik betroffenen Quellwasserversorgungsanlagen.

 

 

1.10 Literatur

 

 

[1]   Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung vom 21.Mai 2001. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2001 Teil I Nr. 24 ausgegeben am 28. Mai 2001.

 

[2]   Umweltbundesamt: Anforderungen an die Aufbereitung von Oberflächenwässern zu Trinkwasser im Hinblick auf die Eliminierung von Parasiten. Bundesgesundheitsblatt 12/1997

 

[3]   DVGW: Hinweise zur Optimierung der Partikelabtrennung bei der Wasseraufbereitung. Wasser-Information Nr. 53

 

[4]   Umweltbundesamt: Empfehlung zur Vermeidung von Kontaminationen des Trinkwassers mit Parasiten. Bundesgesundheitsblatt 4/2001

 

[5]   DVGW: Kontinuierliche Trübungsmessung im Wasserwerk. Wasser-Information Nr. 48

 

[6]   Entwurf zum DVGW-Arbeitsblatt W 290: Trinkwasserdesinfektion – Einsatz- und Anforderungskriterien. August 2002


1) Publiziert in: Veröffentlichungen aus dem Technologiezentrum Wasser Karlsruhe, ISSN: 1434-5765, Band 18, Technologiezentrum Wasser, Karlsruhe 10.12.2002