Befunde von Pflanzenschutzmitteln in Grundwässern Deutschlands
Sebastian Sturm & Joachim
Kiefer; DVGW Technologiezentrum
Wasser (TZW) Karlsruhe; sturm@tzw.de
Die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln und
die meisten ihrer Abbau- und Reaktionsprodukte kommen in der Umwelt nicht
natürlich vor und sind anthropogenen Ursprungs (Xenobiotika). In Deutschland
sind zurzeit 245 Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe in 664 Produkten unter 964
Handelsnamen zugelassen. Insgesamt sind 5.411 Anwendungen zugelassen oder genehmigt
(Stand 2005, [BVL (Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) 2006a]). Pflanzenschutzmittel (PSM) werden vorwiegend
auf landwirtschaftlich genutzten Flächen eingesetzt, kommen aber auch auf Nichtkulturland
wie Straßen und Bahnanlagen, Sportplätzen sowie in Kleingärten und Privathaushalten
zum Einsatz [Wolter 2005].
Trotz der Untersuchungen, die im Zulassungsverfahren
vom Hersteller vorgelegt werden müssen und trotz der Bewertung der beteiligten
Behörden, werden PSM-Wirkstoffe und Abbauprodukte im Rahmen von Monitoringprogrammen
der Wasserversorger oder Behörden regelmäßig in Grund- und Oberflächenwässern
nachgewiesen. Dies stellt die Wasserversorgungswirtschaft oft vor erhebliche
Probleme, da zur Einhaltung der Anforderungen der Trinkwasserverordnung die
Rohwässer dann kostenintensiv aufbereitet werden müssen [Kiefer 2003], [Skark & Zullei-Seibert
1999], [ZVLW (Zweckverband
Landeswasserversorgung) 2003], [dpa 2005]. Es bestehen immer noch Wissenslücken
v. a. bezüglich der Eintragspfade. Schwierigkeiten bereitet in der Regel
die nachträgliche Aufklärung der Gründe, die etwa zu einem Eintrag in das
Grundwasser führten [Wolf 2005], [Waldmann 2006]. Deshalb ist es für die Wasserversorger von
grundlegendem Interesse, neue Einträge in die Gewässer durch eine Modifikation
des Zulassungsverfahrens zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund wurde am TZW, Abteilung
Grundwasser & Boden, im Jahr 2006 die vom DVGW geförderte Studie „Befunde
von Pflanzenschutzmitteln in Grund- und Oberflächenwässern und deren
Eintragspfade - Bedeutung für die Wasserwirtschaft und das Zulassungsverfahren"
durchgeführt [Sturm et al. 2006]. Ziel war es, die aktuelle Belastungssituation
mit PSM und die Ursachen für PSM-Einträge in Gewässer, die trotz des Zulassungsverfahrens
nach wie vor bestehen, aus Sicht der Wasserversorgungswirtschaft besser
beurteilen zu können.
Die Auswertungen zur aktuellen Befundsituation
basieren auf Daten ab dem Jahr 2000, wobei sowohl Befunde aus dem Grundwasser
als auch aus Oberflächengewässern erfasst wurden. Die Befunde in Oberflächengewässern
sind auch wegen ihrer Indikatorfunktion als „Frühwarnsystem“ für die Ressource
Grundwasser von Bedeutung.
Weiterhin wurde Literatur zu Eintragspfaden
von PSM in Gewässer recherchiert und in einer Literaturdatenbank mit
bibliographischen Angaben erfasst, mit Stichworten versehen und nach vorab
definierte Abfragekriterien aufgearbeitet. Insgesamt wurden dabei rund 800
Literaturstellen zum Vorkommen, Umweltverhalten und zum Zulassungsverfahren von
Pflanzenschutzmitteln berücksichtigt.
Um mögliche Kausalketten, die zur Verunreinigung
der Gewässer führen konnten, besser bewerten zu können und um geeignete Ansatzpunkte
für entsprechende Gegenmaßnahmen oder eine gewässerschutzorientierte
Modifikation des Zulassungsverfahrens zu finden, wurden für die am häufigsten
im Grundwasser sowie in Oberflächengewässern vorzufindenden, aktuell
zugelassenen PSM-Wirkstoffe Informationen zusammengestellt, die Hinweise auf
die Belastungsherkunft geben können:
·
Anwendungsgebiete und Aufwandmengen der PSM,
·
in der Literatur beschriebene und von Wasserversorgern
genannte Eintragspfade und
·
chemisch-physikalische Stoffeigenschaften.
Umfrage
bei DVGW-Mitgliedsunternehmen
Mit dem DVGW-Rundschreiben 02/06
wurden alle rund 1.500 Mitgliedsunternehmen Wasser vom DVGW angeschrieben und
gebeten, aktuelle Positivbefunde (Zeitraum 2000 bis 2006) von PSM in Grund- und
Oberflächengewässern an das TZW, z. B. durch einen beigefügten Fragebogen
zu melden. Darin wurden neben den Konzentrationen der gefundenen PSM-Wirkstoffe
und –Abbauprodukte auch Angaben zur Herkunft der Proben, zur Probennahmestelle
und zu mutmaßlichen Eintragspfaden der gemeldeten Befunde erbeten.
Insgesamt antworteten 517 Unternehmen,
was einem hohen Rücklauf von 35,7 % entspricht. Von diesen gaben 40
Unternehmen (8 %) an, keine eigene Wassergewinnung zu betreiben, sondern
Wasser von Vorlieferanten, z. B. Talsperrenbetreibern oder anderen Fernwasserversorgungen
zu beziehen, und somit keine Daten bereitstellen zu können. Die restlichen 477
Rückmeldungen der befragten Unternehmen stellten somit die Datenbasis für die
weiteren Auswertungen dar. Die Umfrageergebnisse werden im Folgenden beschrieben.
Datenbanken
der Wasserversorgungswirtschaft
Um weitere Daten der Wasserversorgungspraxis
zur Befundsituation im Grundwasser und in Oberflächengewässern einzubeziehen,
konnte dankenswerterweise auf Auszüge aus verschiedenen gemeinschaftlichen Datenbanken
oder Auswertungen im Rahmen von Güteberichten von Verbänden und Arbeitsgemeinschaften
der Wasserversorgungswirtschaft zurückgegriffen werden. Für den Bereich
Grundwasser stellte die Grundwasserdatenbank Wasserversorgung Baden-Württemberg
(GWD-WV) Angaben zu PSM-Befunden in Grundwässern zur Verfügung [GWD-WV
(Grundwasserdatenbank Wasserversorgung) 2006b, GWD-WV (Grundwasserdatenbank Wasserversorgung)
2006c]. Der verwendete
Datenbankauszug für die Jahre 2004 bis 2006 basiert auf über 47.000 Einzelmesswerten
für bis zu 24 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und –abbauprodukte. Oberflächenwasserdaten standen
z. B. für den Rhein aus der Datenbank der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke
Bodensee-Rhein (AWBR) und der Arbeitsgemeinschaft Rhein-Wasserwerke (ARW) zur
Verfügung.
Behördliche
Gewässerüberwachung
Da der Schwerpunkt der vorliegenden Studie
auf der bundsweiten Situation lag, wurde vor allem auf die Ergebnisse der Länderüberwachungsprogramme
für das Grundwasser zurückgegriffen, die im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaft
Wasser (LAWA) bundesweit einheitlich zusammengeführt wurden [LAWA (Länderarbeitsgemeinschaft
Wasser) 1997, LAWA (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser) 2003] oder vom BMU veröffentlicht [BMU (Bundesministerium
für Umwelt 2004], bzw. vom UBA zur
Verfügung gestellt wurden [Klett 2006].
Übersicht zur Befundsituation (DVGW-Umfrage
2006)
Aus den Meldungen der Wasserversorgungsunternehmen
im Rahmen der DVGW-Umfrage ergab sich folgendes Gesamtbild der aktuellen
Befundsituation von Pflanzenschutzmitteln in Grund- oder Oberflächengewässern:
·
38 % der Unternehmen meldeten Positivbefunde
von PSM-Wirkstoffen oder PSM-Metaboliten, d. h. Konzentrationen über der Bestimmungsgrenze
(Abb. 1).
·
Für 83 Parameter wurden Konzentrationen über
0,1 µg/L angegeben.
·
Die meisten (111) Unternehmen meldeten Positivbefunde
für mehrere Wasserarten, gefolgt von 57 WVU, die Befunde nur für Grundwasser angaben
und 9 Unternehmen, die Befunde nur für Oberflächenwasser meldeten.
Abb. 1: Anteil
der Meldungen nach Befundsituation (100% = 477 Fragebögen;
BG = Bestimmungsgrenze)
·
Die Positivbefunde umfassen ein Spektrum von genau
100 Substanzen, von denen die Hälfte aktuell nicht zugelassen ist. 7 % stellen
PSM-Abbauprodukte (Metaboliten) dar, während 43 % aktuell zugelassene
PSM-Wirkstoffe sind (s. Abb. 2).
Abb. 2: Zulassungsstatus
der Positivbefunde (Grund- und Oberflächenwasser, 100% = 100 Substanzen)
Die Untersuchungsumfänge der verschiedenen Wasserversorger,
die Positivbefunde meldeten, unterschieden sich stark.
·
Das Parameterspektrum reichte von einigen wenigen
Triazin-Verbindungen bis hin zu weit über 160 PSM-Wirkstoffen und Metaboliten.
·
Die Probennahmehäufigkeit betrug teils jährliche,
teils monatliche Probennahmen.
·
Die Art und Anzahl der Probennahmestellen reichte
von einer Quellfassung oder einem einzigen Entnahmebrunnen bis hin zu einer
Vielzahl von Vorfeldmessstellen und Oberflächengewässern im Einzugsgebiet.
·
Die Ausgestaltung der Messprogramme orientierte
sich teils an Routineüberwachungen der Trinkwasserverordnung, teils stammen die
Ergebnisse aus gezielten Messprogrammen zur Überwachung bekannter Belastungen
oder mutmaßlicher Emittenten.
Ein repräsentatives Bild einer „mittleren
Belastungssituation“ war somit aus den Ergebnissen der Umfrage nicht abzuleiten.
Um die Meldungen gemeinsam auswerten zu können, war es daher erforderlich, sie
nach einheitlichen Kriterien abzugleichen. Da es das vorrangige Ziel der vorliegenden
Studie war, Belastungsschwerpunkte aufzuzeigen und Hinweise auf aus Sicht der Wasserversorgungswirtschaft
„potentiell problematische“ Wirkstoffe zu erhalten, wurde daher von jeder Rückmeldung
die Maximalkonzentration je Wirkstoff und Art der Probennahmestelle (z. B.
Brunnen oder Grundwassermessstelle) in die weitere Auswertung übernommen,
sofern es sich nicht um offensichtlich unplausible Werte handelt. Bei Unklarheiten
wurde beim meldenden Unternehmen nachgefragt.
Eine „Nennung" ist hier also die von je
einem Unternehmen gemeldete Maximalkonzentration eines Stoffes je Wasserart und
Art der Probennahmestelle: so gingen in diese Auswertung z. B. die höchste
vom Wasserversorger A gemeldete Diuronkonzentration in einer Grundwassermessstelle
oder die Maximalkonzentration von Ethofumesat in einem Graben aus der Meldung
des Unternehmens B ein. Je Unternehmen können so mehrere Nennungen eines
Wirkstoffs in dieser Statistik enthalten sein.
Insgesamt teilen sich die 919 Nennungen zu
65 % auf Grundwasser, 31 % auf Oberflächenwasser, 4 % auf
Uferfiltrat bzw. künstliche Grundwasseranreicherung und 0,2 % auf sonstige
(z. B. Behälter, Netzproben) auf. Die häufiger von den WVU genannten Stoffe
sind in Abb. 3 und Abb. 4 dargestellt.
Abb. 3: PSM
mit über 10 Nennungen: die Höhe des Balkens entspricht
der Summe aller Nennungen; mit * sind aktuell zugelassene Wirkstoffe gekennzeichnet.
Erwartungsgemäß führen Desethylatrazin und
sein Ausgangswirkstoff Atrazin die Statistik mit weit über 100 Nennungen an.
Vor dem Hintergrund, dass die Anwendung von Atrazin bundesweit seit 1991
verboten ist, belegen diese Zahlen eindrucksvoll, welch langes „Gedächtnis"
die Wasserressourcen haben.
Abb. 4: PSM
mit 5 bis 10 Nennungen: die Höhe des Balkens entspricht
der Summe aller Nennungen; mit * sind aktuell zugelassene Wirkstoffe gekennzeichnet.
Bereits 1988 und 1994 beauftragte der DVGW Umfragen
bei den deutschen Wasserversorgungsunternehmen zum Vorkommen von Pflanzenschutzmitteln
im Roh- und Trinkwässern Deutschlands [Zullei-Seibert
1990], [Skark &
Zullei-Seibert 1999]. Da die Umfragen
einen anderen Umfang hatten und teils anders aufgebaut und anders ausgewertet
wurden als die Umfrage 2006, sind die Ergebnisse der jeweiligen Studien nicht
unter allen Aspekten miteinander direkt vergleichbar. Im Folgenden werden daher
die Eckpunkte der beiden älteren Studien zusammenfassend dargestellt, die auch
in der vorliegenden Arbeit zur aktuellen Befundsituation behandelt wurden.
Die Zahl der befragten Wasserversorgungsunternehmen
war mit 1.451 Unternehmen 1994 annähernd die gleiche wie 2006. Auch 1994
meldeten 183 Wasserversorgungsunternehmen mindestens einen PSM-Positivbefund in
einer Probennahmestelle (2006: 182 Wasserversorger). Insgesamt wurden in der
1994er-Umfrage Positivbefunde von insgesamt 85 Stoffen berichtet (2006: 100),
wobei 40% davon (seinerzeit) zugelassene PSM-Wirkstoffe waren (aktuell: 43%).
1994 wurden für 39 Stoffe Konzentrationen über 0,1 µg/L angegeben, 2006
waren es 83.
Die häufigsten Stoffe im Oberflächenwasser waren
1994 Atrazin, Desethylatrazin, Simazin, Terbuthylazin, Chlortoluron, Diuron und
Isoproturon, im Grundwasser: Triazine, Bentazon, Bromacil. Auch die Studie zur
Umfrage 1994 betont die Bedeutung des Analysenumfangs auf das Gesamtbild der Befundsituation.
So waren in dem Analysenspektren 1994 Fungizide und PSM-Abbauprodukte in der
Regel nur untergeordnet und entsprechend ihrer Relevanz nur unzureichend
untersucht. Dementsprechend dominierten 1994 Herbizide die häufig gefundenen
Stoffe, was sich bei der Umfrage 2006 bestätigte.
In der DVGW-Umfrage bei den Wasserversorgern
von 1988 war die Zahl der Wasserwerke mit Positivbefunden bzw. mit Befunden
über 0,1 µg/L annähernd gleich wie 1994. Bei dieser früheren Umfrage war
das Spektrum der untersuchten Substanzen aber viel kleiner und zudem hatten
1988 viele der befragten Wasserversorgungsunternehmen noch keine Untersuchungen
auf PSM durchführen lassen (Inkrafttreten des TrinkwV-Grenzwertes 1989). 1988
traten Positivbefunde von 45 Stoffen auf, von denen die Mehrzahl 1994 noch nachgewiesen
wurde.
Aufgrund der Unterschiede in Datenbasis und
Methodik der DVGW-Umfragen 1988, 1994 und 2006 sind Trends in der
Befundsituation aus den drei Erhebungen nicht abzuleiten. Die Zunahme der
Stoffe und Positivbefunde (1988: 45, 1994: 85, 2006: 100) alleine ist vor den
Hintergrund der Fortentwicklung im Bereich der Spurenstoffanalytik kein Beleg
für eine Verschlechterung der Situation. Die Tatsache hingegen, dass 1994 und
2006 nahezu die gleiche Zahl von Wasserversorgungsunternehmen Positivbefunde
von PSM meldete, kann allerdings daraufhin deuten, dass die Situation sich
nicht verbessert hat. Dafür spricht auch, dass 2006 für 82 Stoffe (entsprechend
82 % der Stoffe mit Positivbefunden) eine Überschreitung des
Trinkwassergrenzwertes bzw. des Umweltqualitätsziels von 0,1 µg/L gemeldet
wurde, während dies 1994 für nur 39 Stoffe (entsprechende 46 % der Stoffe
mit Positivbefunden) der Fall war. Sowohl 1994 als auch 2006 war ein fast
gleich großer Anteil von rund 40 % der gefundenen Stoffe Bestandteil
zugelassener und auf Ihre Auswirkungen auf die Gewässer hin geprüfter Pflanzenschutzmittel.
Befundsituation Grundwasser – DVGW-Umfrage 2006
Für das Grundwasser wurden von den WVU bei
der aktuellen Umfrage Positivbefunde für 60 PSM-Substanzen gemeldet. Diese
setzen sich zu 47 % aus nicht zugelassenen, zu 43 % aus aktuell
zugelassenen PSM-Wirkstoffen und zu 10 % aus Metaboliten zusammen. Die
positiven Befunde stammen zu gleichen Teilen aus Brunnen und Grundwassermessstellen
und nur untergeordnet aus Quellfassungen (s. Tab. 1).
Tab. 1: Aufteilung der Positivbefunde im Grundwasser
nach Art der Probennahmestelle
Befunde |
Brunnen |
Grundwassermessstellen |
Quellfassungen |
Sonstiges* |
Summe |
Anzahl |
255 |
253 |
71 |
16 |
595 |
Anteil [%] |
42,9 |
42,5 |
11,9 |
2,7 |
100 |
* z. B. Wasserwerks-, Behälter- oder
Netzproben
Die 20 am häufigsten für Grund- und
Quellwässer genannten Substanzen sind in der Tab. 2 nach der Häufigkeit der Nennungen sortiert und mit
ihrem aktuellen Zulassungsstatus aufgeführt. Eine Übersicht über alle genannten
Stoffe ist in [Sturm et al. 2006] enthalten.
Tab. 2: Häufigste Positivbefunde von Pflanzenschutzmitteln
in Grund- und Quellwässern (Nennungen der Wasserversorger,
sortiert nach Häufigkeit der Nennungen)
Substanzname |
Zulassungsstatus |
Desethylatrazin |
Metabolit |
Atrazin |
nicht zugelassen |
2,6-Dichlorbenzamid |
Metabolit |
Simazin |
nicht zugelassen |
Bromacil |
nicht zugelassen |
Diuron |
zugelassen |
Bentazon |
zugelassen |
Isoproturon |
zugelassen |
Desisopropylatrazin |
Metabolit |
Mecoprop (MCPP) |
zugelassen (Mecoprop-P) |
Hexazinon |
nicht zugelassen |
Propazin |
nicht zugelassen |
Terbuthylazin |
zugelassen |
Desethylterbuthylazin |
Metabolit |
1,2-Dichlorpropan |
nicht zugelassen |
Chlortoluron |
nicht zugelassen |
Ethidimuron |
nicht zugelassen |
Lenacil |
nicht zugelassen |
Methabenzthiazuron |
nicht zugelassen |
Metalaxyl |
zugelassen (Metalaxyl-M) |
Für die in Tab. 2 enthaltenen und andere, in der DVGW-Umfrage genannte,
zugelassene PSM-Wirkstoffe sind die Spannweiten der von den Wasserversorgern
gemeldeten Maximalkonzentrationen in Abb. 5 grafisch dargestellt. Dabei werden jeweils alle
gemeldeten Maximalkonzentrationen je PSM und Wasserart als „Boxplot“ veranschaulicht.
In der Darstellung entsprechen alle ausgewerteten Maximalkonzentrationen 100%.
Die schwarze Linie innerhalb des grauen Kastens ist der Median. Dieser gibt die
Konzentration an, über und unter der jeweils 50% der Messwerte liegen. Analog
werden als oberer und unterer Rand des grauen Kastens das 75. und das 25. Perzentil
dargestellt, d. h. jeweils ein Viertel aller Messwerte liegt über, bzw.
unter diesen Marken. Bei ausreichender Datenbasis wurde das 10. und das 90. Perzentil
berechnet und ist durch die Querbalken über und unter dem Kasten bezeichnet.
„Extremwerte“, die außerhalb dieser Grenzen liegen, werden als Punkte einzeln
aufgetragen. Zum Vergleich ist in jedem Kasten neben dem Median der arithmetische
Mittelwert als weiße Linie eingezeichnet. Diese Art der Darstellung veranschaulicht
so die Schwankungsbreite und die „Haupt-Konzentrationsspannen“ der gemeldeten
PSM-Konzentrationen. Diese Auswertung ist somit einigermaßen unempfindlich
gegenüber einzelnen Ausreißern oder etwaigen Übertragungsfehlern auf den Fragebögen.
Die gestrichelte Linie bei einer Konzentration
von 0,1 µg/L zeigt den PSM-Einzelstoffgrenzwert nach Trinkwasserverordnung
bzw. das Gewässerqualitätsziel nach EU-Grundwasserrichtlinie (GWRL, [Europäisches Parlament
und Europarat 2006]).
Abb. 5: Maximalkonzentrationen zugelassener Wirkstoffe
im Grundwasser (Boxplot-Darstellung, berechnet mit SigmaPlot
2002 8.0)
Die von den Wasserversorgern mitgeteilten
Maximalkonzentrationen schwanken je nach Wirkstoff oder Metabolit. Die
niedrigsten gemeldeten Befunde liegen naturgemäß mit Werten um 0,01 µg/L
an der Bestimmungsgrenze einzelner Stoffe. Bei den Meldungen für das Grundwasser
wurde durchschnittlich meist der Grenzwert von 0,1 µg/L überschritten, was
eine Nutzung dieser Grundwässer für die Trinkwasserversorgung teils erheblich
beeinträchtigt und zudem ebenfalls eine Verletzung des Qualitätszieles nach GWRL
darstellt. Insgesamt liegen aus der aktuellen DVGW-Umfrage für 41 Wirkstoffe
oder PSM-Abbauprodukte Meldungen von Konzentrationen über 0,1 µg/L im
Grundwasser vor. Die Höchstwerte sind nahezu immer ein Vielfaches dieses Grenz-
und Zielwertes und erreichen zum Teil Konzentrationen über 1 µg/L.
Grundwasserdatenbank
Wasserversorgung
In Baden-Württemberg belegen die Daten der
zur Rohwasserüberwachung von den Wasserversorgungsunternehmen betriebenen
„Grundwasserdatenbank Wasserversorgung”, dass häufig nicht nur Desethylatrazin
und Atrazin, sondern auch zugelassene Pflanzenschutzmittel, wie Bentazon oder
Metolachlor, im Grundwasser nachgewiesen werden (s. Tab. 3). Die Auswertungen basieren auf den Messprogrammen
der einzelnen Wasserversorger und umfassen nach den Beprobungsplänen der Kooperationsvereinbarung
zwischen den Wasserversorgern und dem Land Baden-Württemberg in der Regel einen
Mindestumfang von 17 („unbedingt zu untersuchen“) bzw. 24 (einschl. „zusätzlich
empfohlene“) Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen und Abbauprodukten.
Für den Zeitraum 2004 bis 2006 liegen von
diesem 24er-Spektrum Positivbefunde für 19 Pflanzenschutzmittel, davon für 12
mit Grenzwertüberschreitung aus Rohwasseranalysen der beteiligten Wasserversorger
der Grundwasserdatenbank vor. Auch wenn der Anteil an Positivbefunden meist vergleichsweise
gering ist, so ist dennoch auffällig, dass, mit Ausnahme von MCPA, für jeden
der „obligatorischen“ Parameter mindestens ein Positivbefund gemeldet wurde und
sich unter den Substanzen mit Positivbefunden insgesamt 10 zugelassene
PSM-Wirkstoffe befinden (Tab. 3).
Trotz der in Baden-Württemberg bereits seit
1988 infolge von SchALVO-Auflagen eingeschränkten Anwendung von Atrazin und dem
bundesweiten Verbot von 1991 weisen Desethylatrazin und Atrazin die, wenn auch
mit rückläufiger Tendenz, höchste Befundhäufigkeit auf [GWD-WV
(Grundwasserdatenbank Wasserversorgung) 2006a].
Unter den zugelassenen PSM-Wirkstoffen ergibt
sich die höchste Befundhäufigkeit für Bentazon. Aufgrund erhöhter
Bentazon-Gehalte wurde beispielsweise das Wasserschutzgebiet „Rastatt-Rauental”
zum ersten Pflanzenschutzmittel-Sanierungsgebiet in Baden-Württemberg nach
§ 5 Abs. 4 [SchALVO 2001] erklärt [Kiefer 2003]. Mittlerweile sind in Baden-Württemberg drei
WSG wegen Bentazon, sowie je eines wegen Metalaxyl und Mecoprop als
PSM-Sanierungsgebiete ausgewiesen (Deklaratorische Liste vom 03.04.2006).
Tab. 3: Ergebnisse von PSM-Untersuchungen 2004 bis
2006 (Rangfolge nach Anzahl der Messungen mit Positivbefunden;
aktuell zugelassene Wirkstoffe sind kursiv
gedruckt) 1)
Parameter |
Anzahl |
Anzahl |
Anzahl |
Anteil |
Desethylatrazin
2) |
2.597 |
457 |
41 |
17,6 |
Atrazin 2) |
2.597 |
176 |
4 |
6,8 |
2,6-Dichlorbenzamid
2) |
2.242 |
120 |
20 |
5,4 |
Simazin 2) |
2.562 |
31 |
1 |
1,2 |
Bentazon
2) |
1.723 |
22 |
5 |
1,3 |
Desisopropylatrazin
2) |
2.533 |
20 |
2 |
0,8 |
Hexazinon 2) |
2.213 |
13 |
0 |
0,6 |
Bromacil
2) |
2.187 |
11 |
1 |
0,5 |
Metolachlor 2) |
2.553 |
7 |
1 |
0,3 |
Isoproturon 2) |
1.192 |
6 |
0 |
0,5 |
Desethylterbuthylazin2) |
2.525 |
6 |
1 |
0,2 |
Propazin 2) |
2.469 |
5 |
0 |
0,2 |
Metalaxyl 2) |
2.015 |
4 |
1 |
0,2 |
Metazachlor 3) |
2.543 |
4 |
0 |
0,2 |
Terbuthylazin 3) |
2.581 |
4 |
0 |
0,2 |
2,4-D
3) |
1.664 |
4 |
4 |
0,2 |
Diuron
2) |
1.192 |
3 |
0 |
0,3 |
Mecoprop (MCPP) 2) |
1.699 |
2 |
0 |
0,1 |
Dichlorprop 3) |
1.667 |
1 |
1 |
0,1 |
Linuron 3) |
1.138 |
0 |
0 |
- |
Methabenzthiazuron 3) |
1.144 |
0 |
0 |
- |
MCPA 2) |
1.697 |
0 |
0 |
- |
Chlortoluron 3) |
1.181 |
0 |
0 |
- |
Dicamba 3) |
1.630 |
0 |
0 |
- |
1) Datenbasis: [GWD-WV
(Grundwasserdatenbank Wasserversorgung) 2005], [GWD-WV
(Grundwasserdatenbank Wasserversorgung) 2006a], [GWD-WV
(Grundwasserdatenbank Wasserversorgung) 2006b]
2) Parameter waren gemäß SchALVO-Kooperationsvereinbarung
2004 bis 2006 „unbedingt“ zu untersuchen
3) Parameter, die im Rahmen der
SchALVO-Kooperationsvereinbarung „zusätzlich“ ohne Mehraufwand zu
untersuchen gewesen wären.
Ergebnisse der behördlichen
Überwachung
Die bundesweite Befundsituation für die Jahre
1996 bis 2000 aus Sicht der behördlichen Grundwasserüberwachung wurde im Rahmen
der Bestandsaufnahme der LAWA in 2003 [LAWA (Länderarbeitsgemeinschaft
Wasser) 2003] als Fortführung
der ersten bundesweiten Übersicht zur Situation für die Jahre 1990 bis 1996 [LAWA
(Länderarbeitsgemeinschaft Wasser) 1997] veröffentlicht.
Dieser Bericht zur Belastung des oberflächennahen
Grundwassers mit Pflanzenschutzmittelwirkstoffen bzw. deren Abbauprodukten
weist bei rund 28 % der untersuchten Messstellen positive PSM-Befunde aus.
Bei rund 9 % der ca. 13.000 in die Auswertung einbezogenen
Messstellen wurden Konzentrationen über dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung
von 0,1 µg/L ermittelt. Bei 97 Messstellen wurde sogar eine Konzentration
von mehr als 1,0 µg/L für eine PSM-Einzelsubstanz bzw. einen Metaboliten
festgestellt. Bei der wirkstoffbezogenen Auswertung lagen dabei für den
Zeitraum 1996 bis 2000 Untersuchungsergebnisse für 257 verschiedene
Einzelsubstanzen vor. Von den zwanzig am häufigsten nachgewiesenen
PSM-Einzelsubstanzen sind zurzeit acht Wirkstoffe Bestandteil von in
Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln (s. Tab. 4).
Die größte Zahl aller Grundwasserverunreinigungen
durch PSM wurde nach dieser Auswertung ebenfalls durch Atrazin und sein Abbauprodukt
Desethylatrazin verursacht, sowie Bromacil, für das ebenfalls ein vollständiges
Anwendungsverbot besteht. Bei Bentazon ist von einer gewissen Zunahme der
Grundwasserbelastung auszugehen. Bemerkenswert ist auch, dass mit dem Wirkstoff
Ethidimuron und dem Abbauprodukt 2,6-Dichlorbenzamid zwei Einzelsubstanzen mit
einer hohen relativen Fundhäufigkeit in Konzentrationen größer 0,1 µg/L
neu hinzugekommen sind. [UBA
(Umweltbundesamt) 2005].
Abb. 6: Häufigkeit
der PSM-Befunde im Grundwasser: Vergleich der Berichtszeiträume 1990 bis 1995
und 1996 bis 2000 (aus [UBA (Umweltbundesamt)
2005])
Neben der Beschreibung der aktuellen
Belastungssituation ist vor allem die Ermittlung der zeitlichen Entwicklung der
PSM-Belastung von Interesse. Ein Vergleich der PSM-Belastung für die Zeiträume
1990-1995 [LAWA (Länderarbeitsgemeinschaft
Wasser) 1997] und 1996-2000 [LAWA
(Länderarbeitsgemeinschaft Wasser) 2003] zeigte, dass die Situation in den letzten
Jahren quasi unverändert ist (s. Abb. 6).
Tab. 4: Häufig nachgewiesene PSM-Wirkstoffe und
-Metaboliten im oberflächennahen Grundwasser Deutschlands (Rangfolge nach Anzahl der Messstellen mit Befunden
> 0,1 µg/L; nach [LAWA (Länderarbeitsgemeinschaft
Wasser) 2003], [UBA (Umweltbundesamt) 2005])
Wirkstoff
/ Metabolit |
Anzahl der Messstellen |
Anteil
Positivbefunde [%] |
Rangfolge |
|||
insges. untersucht |
letzter Messwert an der
Messstelle |
|||||
< 0,1 µg/L |
> 0,1
µg/L |
1996-2000 |
1990-1995 |
|||
Desethylatrazin |
12167 |
1715 |
570 |
18,8 |
1 |
1 |
Atrazin |
12353 |
1609 |
272 |
15,2 |
2 |
2 |
Bromacil |
8176 |
144 |
177 |
3,9 |
3 |
3 |
Bentazon |
8578 |
195 |
70 |
3,1 |
4 |
9 |
Diuron |
10078 |
166 |
67 |
2,3 |
5 |
6 |
Simazin |
12084 |
454 |
67 |
4,3 |
6 |
4 |
Hexazinon |
7702 |
119 |
57 |
2,3 |
7 |
5 |
Desisopropylatrazin |
10479 |
216 |
56 |
2,6 |
8 |
8 |
2,6-Dichlorbenzamid |
2362 |
98 |
49 |
6,2 |
9 |
-- 2) |
Mecoprop (MCPP)3) |
7851 |
119 |
42 |
2,1 |
10 |
10 |
Ethidimuron |
689 |
4 |
27 |
4,5 |
11 |
-- 2) |
Propazin |
8173 |
168 |
25 |
2,4 |
12 |
7 |
1,2-Dichlorpropan1) |
984 |
12 |
24 |
3,7 |
13 |
-- 2) |
Isoproturon |
10838 |
145 |
18 |
1,5 |
14 |
12 |
Dichlorprop (2,4-DP)3) |
7101 |
92 |
11 |
1,5 |
15 |
17 |
Terbuthylazin |
8122 |
78 |
9 |
1,1 |
16 |
15 |
Metolachlor3) |
7961 |
78 |
8 |
1,1 |
17 |
13 |
Desethylterbuthylazin |
7505 |
32 |
8 |
0,5 |
18 |
18 |
Chlortoluron |
6116 |
71 |
6 |
1,3 |
19 |
16 |
Metazachlor |
11098 |
83 |
6 |
0,8 |
20 |
-- 2) |
fett: Wirkstoffe, die Bestandteil zurzeit zugelassener Pflanzenschutzmittel
sind; kursiv: Metabolite
(Abbauprodukte) von PSM-Wirkstoffen;
1) 1,2-Dichlorpropan war im
Stoffgemisch mit dem eigentlichen Wirkstoff 1,3-Dichlorpropen (vollständiges
Anwendungsverbot) in Anwendung, wird von einigen Bundesländern als
PSM-Einzelsubstanz geführt
2) Einzelsubstanz wurde im
Berichtszeitraum 1990 bis 1995 an sechs oder weniger Messstellen in einer Konzentration
> 0,1 µg/L bestimmt und zählte damit nicht zu den 20 am häufigsten
nachgewiesenen PSM-Wirkstoffen bzw. –Metaboliten
3) zugelassen sind : Mecoprop-P, Dichlorprop-P, S-Metolachlor
In Tab. 5 ist die Häufigkeit an Positivbefunden aus den Jahren 2001
bis 2004 auf Grundlage der aktuellen tabellarischen Zusammenstellungen der am
häufigsten im oberflächennahen Grundwasser nachgewiesenen Pflanzenschutzmittel
und Metabolite der LAWA wiedergegeben.
Tab. 5: Positivbefunde
von PSM-Wirkstoffen im Grundwasser Deutschlands (Anteile [%], keine Angabe: im entspr. Jahr nicht unter den „20 häufigsten
PSM“)
|
Anteil Positivbefunde [%] |
|||
Wirkstoff / Metabolit |
20011) |
20021) |
20031) |
20042) |
Desethylatrazin |
18,8 |
25,1 |
18,9 |
22,7 |
Atrazin |
12,9 |
17,6 |
16,5 |
16,8 |
1,2-Dichlorpropan |
12 |
10,8 |
8,1 |
|
2,6-Dichlorbenzamid |
6,2 |
7,3 |
7,2 |
|
Ethidimuron |
6,1 |
3,7 |
2,4 |
|
Simazin |
4 |
3,8 |
6,2 |
6,8 |
Bromacil |
3,2 |
4 |
4,4 |
4,3 |
Desisopropylatrazin |
2,7 |
2 |
5,1 |
6,3 |
Hexazinon |
2 |
1 |
1,8 |
2,1 |
Mecoprop |
1,9 |
0,8 |
3 |
1,1 |
Bentazon |
1,5 |
3,1 |
3,4 |
2,5 |
Diuron |
1,4 |
1,8 |
2,4 |
2,3 |
Lenacil |
1,3 |
|
|
|
Propazin |
1,2 |
2,9 |
4,3 |
3,9 |
Desethylterbuthylazin |
1,2 |
|
2,7 |
|
Isoproturon |
1 |
1,2 |
2,2 |
1,8 |
Terbuthylazin |
0,9 |
|
3,3 |
2,6 |
Metolachlor |
0,6 |
|
|
0,4 |
Chloridazon |
0,4 |
1,1 |
|
|
Metalaxyl |
0,3 |
|
|
|
AMPA |
|
4,2 |
6,9 |
|
Prometryn |
|
2,8 |
|
1,1 |
Metazachlor |
|
1 |
|
0,7 |
MCPA |
|
0,8 |
|
0,4 |
Chlortoluron |
|
0,7 |
|
0,8 |
Picolinafen |
|
|
28 |
|
Dichlorprop |
|
|
1 |
0,2 |
1,2-Dichlorethan |
|
|
0,5 |
|
2,4-D |
|
|
|
0,1 |
Cyanazin |
|
|
|
0,1 |
fett: Wirkstoffe, die Bestandteil zurzeit zugelassener Pflanzenschutzmittel
sind; kursiv: Metabolite
(Abbauprodukte) von PSM-Wirkstoffen;
1) [BMU (Bundesministerium für
Umwelt 2004]
2) [Klett 2006]
Da diesen aber jeweils nur die „Top
20er-Listen“ zu Grund liegen, lassen sich daraus keine Entwicklungen ableiten.
Sie belegen jedoch, dass auch in den letzten Jahren nennenswerte Befunde der
zugelassenen PSM-Wirkstoffe Isoproturon, Terbuthylazin, Mecoprop, Bentazon und
Diuron bei den flächenhaften Kontrollen im oberflächennahen Grundwasser
bundesweit festgestellt werden.
Zudem zeigt das Beispiel Picolinafen, dass
die Beurteilung der Befundsituation maßgeblich von der Gestaltung der
Messprogramme abhängt. So sind die Picolinafen-Befunde, die diesen Wirkstoff
2003 unter den „Top 20“ bundesweit erscheinen ließen, alle erstmalige Positivbefunde
aus Messungen in Schleswig-Holstein und wurden dort in den Folgejahren
bestätigt ([MLUR
Schl.-Holst.(Ministerium für Landwirtschaft 2006]), während der Parameter in den
Untersuchungsumfängen anderer Bundesländer nicht enthalten war.
Fazit zur Befundsituation im
Grundwasser
Die Länderüberwachungsprogramme bestätigen
weitgehend die Daten der Wasserversorgung. In allen Programmen tauchen Befunde
von Diuron, Bentazon, Isoproturon, Mecoprop und Terbuthylazin auf.
Es wird deutlich, dass eine vermehrte Berücksichtigung
der Ergebnisse der Wasserversorger die Aussagekraft der Länderdaten erhöhen und
eine wesentlich erweiterte Datenbasis für Bemühungen zur Ermittlung der Eintragspfade
darstellen kann. Für einige der zugelassenen und im Grundwasser gefundenen
PSM-Wirkstoffe (z. B. Bentazon, Diuron) wurden von der Zulassungsbehörde
Fundaufklärungen veranlasst [Wolter 2005]. Hierbei soll ermittelt werden, warum und
auf welchen Pfaden die betreffenden Wirkstoffe bis ins Grundwasser gelangen
konnten.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln und
die meisten ihrer Abbau- und Reaktionsprodukte kommen in der Umwelt nicht
natürlich vor und sind anthropogenen Ursprungs (Xenobiotika). Ihr Vorkommen in
Oberflächengewässern, im Grundwasser und damit auch im Rohwasser für die
Trinkwassergewinnung ist daher unerwünscht und grundsätzlich zu vermeiden.
Durch die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln
muss sichergestellt sein, dass diese den Naturhaushalt nicht beeinträchtigen
und nicht über Grund- und Oberflächenwässer ins Rohwasser für die Trinkwasserversorgung
gelangen. Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, Zulassungsbehörde, Agrarhandel
und Anwender stehen daher gemeinsam in der Verantwortung zur nachhaltigen Reinhaltung
der Gewässer vor Verunreinigungen durch Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte.
Eine Umfrage unter den DVGW-Mitgliedsunternehmen
m Rahmen der DVGW-Studie W1/02/05 [Sturm et al. 2006] zeigte, dass bei nahezu 40 % der
beteiligten Wasserversorger Positivbefunde von PSM von Pflanzenschutzmitteln
und PSM-Abbauprodukten in Grund- und Oberflächenwässern in ihren
Einzugsgebieten aus den Jahren 2000 bis 2006 vorliegen. Das Spektrum der genannten
Substanzen umfasst insgesamt 100 PSM-Wirkstoffe oder Metaboliten, davon wurden
60 für Grund- und rund 90 für Oberflächenwässer genannt. Für 82 Parameter
wurden Konzentrationen über 0,1 µg/L angegeben (41 Stoffe im Grundwasser,
73 im Oberflächenwasser). Ein Vergleich mit den Ergebnissen früherer Umfragen
unter den Wasserversorgern ergab keine Hinweise auf eine Verbesserung der
Belastungssituation. Weiterhin wurden Daten der Grundwasserdatenbank
Wasserversorgung Baden-Württemberg ausgewertet.
Wie der Vergleich mit den Ergebnissen der zusätzlich
ausgewerteten behördlichen Überwachungsprogramme zeigt, stützen diese Ergebnisse
ebenfalls die Daten der Wasserversorgung. Allerdings bestehen Unterschiede im
Umfang und der Rangfolge der als „problematisch“ anzusehenden Wirkstoffe. Die
Daten der Wasserversorger ergänzen die behördliche Überwachung und erlauben so
eine bessere Einschätzung der Befundsituation. Die stärkere Berücksichtigung
der Ergebnisse der Wasserversorger zur Belastung des Grundwassers mit PSM kann
eine wesentlich erweiterte Datenbasis für Bemühungen zur Ermittlung der
Eintragspfade im Rahmen der Fundaufklärung darstellen.
Schwierigkeiten bei der Beurteilung der
Belastungssituation und hinsichtlich der Vergleichbarkeit der verschiedenen
Datenquellen ergeben sich aus der unterschiedlichen Gestaltung der Messprogramme.
Vor allem bei Stoffen, die durch weniger Positivbefunde auffällig wurden, zeigt
sich, dass dies möglicherweise nicht oder nicht allein von ihrem tatsächlich geringerem
Auftreten in den Grundwässern abhängt, sondern auch und möglicherweise vielmehr
von dem Maß, in dem sie bei den Messprogrammen überhaupt berücksichtigt werden.
Auffällig war, dass bei der DVGW-Umfrage
neben den zu erwartenden Wirkstoffen wie Atrazin oder Bromacil bzw. häufigen
PSM-Metaboliten insgesamt die Hälfte aller für Rohwässer genannten Substanzen nicht
mehr zugelassene PSM-Wirkstoffe und zu über 40 % Wirkstoffe aktuell
zugelassener PSM sind. Bei der Beurteilung der Befundsituation dürfen Grund-
und Oberflächenwässer nicht unabhängig voneinander betrachtet werden.
Die Auswertungen zeigten auch, dass die
Positivbefunde überwiegend von PSM-Wirkstoffen herrühren, die aus Sicht der
Wasserversorgung eine „ungünstige“ Kombination chemisch-physikalischer Eigenschaften
aufweisen, die also eine Versickerung und Verlagerung in Gewässer begünstigen. Als
kritisch zeigten sich diese vor allem in Verbindung mit hohen Absatz- und
Aufwandmengen.
Auch wenn es Hinweise auf Fehlverhalten der
Anwender und illegale PSM-Einsätze gibt, ist angesichts der Vielzahl der
Befunde und ihrem bundesweiten Auftreten sowie der zugelassenen Anwendungsbereiche
und ungünstiger Stoffeigenschaften davon auszugehen, dass auch bei
sachgerechtem und bestimmungsgemäßen Gebrauch dieser Mittel Einträge in Oberflächenwässer
und das Grundwasser nicht ausgeschlossen werden können. Doch gerade diese
Beeinträchtigung der Gewässer und des Naturhaushaltes muss durch die Prüfung
und Bewertung der Mittel in Zulassungsverfahren ausgeschlossen sein.
Das aktuelle Zulassungsverfahren wurde in der
Studie dargestellt und daraus die Notwendigkeit aufgezeigt, neben einer
verstärkten Kontrolle der Anwendungspraxis, das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel
hinsichtlich des Gewässerschutzes zu modifizieren. Entsprechende Vorschläge und
Anforderungen der Wasserversorgungswirtschaft dazu sowie für begleitende Maßnahmen
zur PSM-Anwendungspraxis werden darin benannt und näher erläutert. Gestützt auf
die aktuelle Datenbasiskönnen diese Vorschläge zu einer Verbesserung der
Situation beitragen und künftige Einträge in Gewässer verhindern.
Danksagung
Die Autoren danken dem DVGW für die
finanzielle Förderung der Studie (Förderkennzeichen W 1/02/05) und die
organisatorische Unterstützung der Umfrage unter den DVGW-Mitgliedsunternehmen,
allen Wasserversorgern, die sich an der Umfrage beteiligt haben sowie der Grundwasserdatenbank
Wasserversorgung für die Bereitstellung von Daten.
Literatur
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Grundwasserbelastung durch Pflanzenschutzmittel.
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